Original statt generiert: Visual Storytelling jenseits der KI-Flut

15.7.2025

Jenseits der KI-Ästhetik liegt die Chance: Marken, die auf echte Bilder, klare Haltung und originelle Gestaltung setzen, schaffen Sichtbarkeit mit Substanz – und berühren dort, wo Algorithmen enden.

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Dieser Artikel wurde verfasst von:

Yann Metzmacher

Jeden Tag begegnen uns dieselben glatten Oberflächen, austauschbaren Stockfoto-Ästhetiken und generischen Bildwelten. Die KI-Revolution hat das Marketing mit einer Flut gleichförmiger Visuals überschwemmt. Was einst als Effizienzgewinn gefeiert wurde, entwickelt sich zunehmend zur visuellen Gleichschaltung – und kostet Unternehmen etwas Entscheidendes: die Fähigkeit zum wirkungsvollen Visual Storytelling. Besonders im B2B-Bereich wiegt dieser Verlust schwer.

Visual Storytelling war schon immer mehr als nur schöne Bilder. Es geht darum, komplexe Ideen verständlich zu machen, Emotionen zu wecken und Vertrauen aufzubauen. Doch während Tech-Unternehmen, SaaS-Anbieter, Beratungen und Bildungseinrichtungen ihre Prozesse digitalisieren, verlieren sie paradoxerweise ihre visuelle Markenkommunikation an Algorithmen.

Warum KI-generierte Visuals austauschbar wirken

Die Antwort liegt in der Natur der Künstlichen Intelligenz: KI-Tools werden mit denselben Daten trainiert und reproduzieren ähnliche Stile, Farbwelten und Kompositionsmuster. Sie optimieren für das, was statistisch am besten funktioniert – nicht für das, was einzigartig, markant oder erinnerungswürdig ist.

Diese visuelle Homogenisierung zeigt sich besonders beim Content Design deutlich. Hier zählen Vertrauen und Glaubwürdigkeit mehr als Preisvorteile. Wenn potenzielle Kunden zwischen drei scheinbar identischen Beratungsunternehmen wählen, deren Websites, Präsentationen und Whitepaper visuell kaum unterscheidbar sind, wird die Entscheidung zum Glücksspiel.

Das Resultat: sinkende Engagement-Raten, schwächere Conversion-Zahlen. Unternehmen investieren in Content-Marketing, doch ihre Botschaften gehen in der Masse unter. Visual Storytelling wird zur Worthülse – denn wie sollen Geschichten berühren, wenn alle dieselbe visuelle Sprache sprechen?

Authentizität als Gegengift: User Generated Visual Content

Hier eröffnet sich eine echte Differenzierungschance: Authentische Visuals durchbrechen die KI-Gleichförmigkeit und schaffen Vertrauen durch Echtheit. Fotos aus realen Projekten, Einsicht in echte Arbeitsprozesse und Bilder von Kunden und Mitarbeitenden erzählen Geschichten, die KI nicht generieren kann – weil sie tatsächlich stattgefunden haben.

Solche Visuals wirken, weil sie mehrere psychologische Trigger gleichzeitig aktivieren: Sie schaffen Nähe, vermitteln Kompetenz durch Transparenz und wecken Emotionen durch echte menschliche Momente. Zeigt eine Beratungsfirma ihr Team beim Entwickeln individueller Lösungen, entsteht ein glaubwürdiges Narrativ von Engagement und Expertise.

Für Tech-Unternehmen bedeutet das: Entwicklungsteams bei der Arbeit zeigen, reale Use Cases dokumentieren, persönliche Einblicke in den Arbeitsalltag der Mitarbeitenden geben. Bildungseinrichtungen können Lernumgebungen und Interaktionen zwischen Lehrenden und Lernenden sichtbar machen. Das Smartphone wird dabei zum wichtigsten Werkzeug – spontan, nahbar, authentisch.

Diese Form der visuellen Kommunikation stellt nicht nur einen Kontrast zur KI-generierten Einheitlichkeit dar – sie öffnet auch die Tür zu einer neuen Tiefe im Visual Storytelling: der aktiven Beteiligung des Publikums.

IBM-Mitarbeiterin Noelia teilt einen authentischen Einblick in ihren Arbeitsalltag. ©Instagram

Interaktive Infografiken: Wo Visual Storytelling lebendig wird

Statische Infografiken haben ausgedient. Content-Design-Trends wie interaktive Datenvisualisierungen und explorative Infografiken machen aus passiven Betrachtern aktive Entdecker. Diese Form des Visual Storytellings ist besonders kraftvoll, weil sie Menschen nicht nur informiert, sondern einbindet.

In Sales-Präsentationen etwa können interaktive Dashboards zeigen, wie sich unterschiedliche Parameter auf Geschäftsergebnisse auswirken. Nutzer erleben den Mehrwert einer Lösung direkt – nicht als Zuhörende, sondern als Mitgestaltende. Das wiederum führt zu einer höheren emotionalen Bindung und steigenden Conversion-Raten.

Auch auf Landingpages verlängern interaktive Elemente die Verweildauer und machen komplexe Themen verständlich. Nutzer können Szenarien durchspielen und erkennen intuitiv, wie eine Lösung zu ihren Bedürfnissen passt.

Das Geheimnis erfolgreicher interaktiver Visuals liegt in der Dramaturgie: Jeder Klick, jeder Hover-Effekt sollte Erkenntnisse liefern, Neugier wecken und die Geschichte weiterentwickeln.

Interaktive Datenvisualisierung des WEF: Aus passiven Betrachtern werden aktive Entdecker. ©World Economic Forum

Tools für originelles Visual Storytelling

Um all diese Ansätze – von authentischen Bildern bis hin zu interaktiven Infografiken – gezielt umzusetzen, braucht es die richtigen Werkzeuge. Doch Tools sind nur so gut wie die strategische Denkweise, die sie begleitet. Deshalb lohnt es sich, die technischen Möglichkeiten im Kontext der gesamten Markenkommunikation zu betrachten. Auf dem Markt lassen sich heute einige geeignete Tools finden, im Folgenden wird nur eine kleine Auswahl aufgelistet:

D3.js

  • Hochgradig individualisierbare JavaScript-Bibliothek für interaktive Visualisierungen
  • Ideal für datengetriebene Anwendungen mit voller Designkontrolle
  • Setzt solide Webentwicklungskenntnisse voraus

Flourish

  • Intuitives Webtool für interaktive Charts, Karten und Scrollytelling
  • Kein Code nötig – große Template-Auswahl, Canva-Integration inklusive

Canva Pro

  • Brand Kits für konsistente Farb-, Font- und Logoverwendung
  • Einfaches Drag-and-Drop, ideal für Marketingteams ohne Design-Know-how

Figma (Libraries)

  • Zentrale Verwaltung von Designsystemen mit wiederverwendbaren Komponenten
  • Echtzeit-Kollaboration für Teams, ideal für konsistente UX/UI-Projekte

Tableau, Power BI & Observable

  • Tableau: Interaktive Dashboards, stark für visuelles Daten-Storytelling 
  • Power BI: Eng verzahnt mit Microsoft, effizient für Reporting und Analyse
  • Observable: Code-basierte Plattform für exploratives Arbeiten mit Daten

Auch wenn die Auswahl des Tools eine Rolle spielt – den Unterschied macht die strategische Anwendung: Jedes Visual sollte zur übergeordneten Geschichte beitragen und die zentrale Botschaft visuell stärken. Nur dann entsteht ein konsistentes und erinnerungswürdiges Markenerlebnis.

Docusign setzte in nur vier Monaten weltweit ein einheitliches Rebranding um – erstellt über Canva. ©Canva

Strategische Umsetzung: Vom Konzept zur Wirkung

Erfolgreiches Visual Storytelling im B2B braucht Strategie. Der erste Schritt: alle visuellen Touchpoints analysieren – von der Website bis zum Pitchdeck – und identifizieren, wo KI-Visuals dominieren und wo Originalität den größten Unterschied macht.

Dabei geht es nicht nur ums Corporate Design, sondern um eine konsistente visuelle Erzählweise: Bildsprache, Farbwelt, Typografie und Komposition sollten einheitlich wirken – aber auch funktional und anschlussfähig sein.

Ein hybrider Ansatz hat sich bewährt: KI-Tools als Impulsgeber oder Prototyping-Werkzeug, menschliche Kreativität für Feinschliff und Differenzierung. So vereint man das Beste aus beiden Welten.

Messbarkeit: Was originelles Visual Storytelling wirklich bringt

Auch originelle Visuals müssen ihre Wirkung belegen. A/B-Tests zwischen KI-generierten und individuell gestalteten Inhalten liefern handfeste Erkenntnisse. Metriken wie Interaktionsraten, Verweildauer oder Conversions zeigen, welche Visuals überzeugen.

Besonders aufschlussreich ist die Analyse entlang der Customer Journey: Wo beeinflussen authentische Inhalte Kaufentscheidungen? Wo stärken sie Vertrauen? Wer diese Hebel kennt, investiert nicht nur effizienter – er steigert auch den ROI seiner visuellen Kommunikation.

Das Ziel ist nicht, KI zu ersetzen, sondern sie gezielt zu ergänzen. Erfolgreiches Visual Storytelling entsteht, wenn Technologie und menschliche Kreativität zusammenwirken.

Die Zukunft gehört den Geschichtenerzählern

Aufgrund der wachsenden visuellen Gleichförmigkeit im Marketing wird originelles Visual Storytelling zum echten Wettbewerbsvorteil. Unternehmen, die authentische, interaktive und individuell gestaltete Bildwelten schaffen, differenzieren sich und bauen emotionale Verbindungen auf.

Und die Investition zahlt sich aus, insbesondere durch höhere Wiedererkennbarkeit, stärkere Kundenbindung und messbare Erfolge im Vertrieb. Die Zukunft der visuellen Markenkommunikation liegt in der Balance zwischen Effizienz durch KI und Wirkung durch Kreativität.

Der Schlüssel: KI als Werkzeug begreifen – nicht als Ersatz für Vision und strategisches Denken. Wer das versteht, wird nicht nur gesehen, sondern verstanden. Und bleibt im Gedächtnis – genau das, was gutes Visual Storytelling ausmacht.