KI-Visualisierungen im Marketing und Differenzierungsstrategien

7.7.2025

Künstliche Intelligenz im Marketing kann mehr als Effizienz – sie bietet die Chance, kreative Grenzen zu verschieben und Marken sichtbar zu differenzieren.

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Dieser Artikel wurde verfasst von:

Kai Wermer

Uhura nutzt KI seit langem – und heute auch täglich. Unser Editorial-Team schreibt Texte effektiver, unsere Grafiker und Motion-Designer nutzen Bild- und Video-Generierung, und unsere Berater optimieren Research- und Analyseprozesse. Wir bauen KI-Agentensysteme für unsere Kunden. Wir haben also einen ganz guten Überblick.

Was uns allerdings in letzter Zeit immer wieder auffällt – und worauf wir auch bereits in unserem Artikel hier (Marke und KI) und da (B2B und Mensch) verwiesen haben – ist, dass KI insbesondere im Kreativbereich zu oft als pures Effizienz-Tool betrachtet wird. Viele Kunden verbinden damit die Vorstellung, kreative Arbeiten auf Knopfdruck zu ersetzen. Und ja – viele Prozessschritte werden effektiver, Iterationen schneller, unsere Abstimmung und unser Research besser. Das spiegelt sich für die Kunden auch in einem optimal umfangreichen Output bei gleichbleibendem Budgetrahmen wider.

KI im Marketing als reines Effizienztool wahrzunehmen greift zu kurz.


Doch Vorsicht: Beispiele wie deBeukelaer, der Coke-Weihnachtsfilm oder der peinliche Avatar-Influencer des German Tourist Board zeigen exemplarisch und eindeutig, wie schädlich der unreflektierte Einsatz von KI-Systemen auf die Markenkommunikation wirken kann.

KI-Visulisierung wie sie nicht sein sollte – Griesson-de Beukelaer

Auch nicht besonders einfallsreich – KI-Influencer vom German Tourist Board

Wieso ist das so?

Menschen suchen in all der Flut an Content und erkennbar unauthentischem Mittelmaß immer noch reale Stories und neue Inspirationen. KI gibt uns ein mächtiges Tool – nicht nur, um effektiver zu arbeiten, sondern vor allem, um neue Erzählformen zu schaffen, visuelle Grenzen zu sprengen und eine eigene Ästhetik sowie einen erweiterten Optionsraum für digitalen Content und digitales Storytelling zu nutzen. So haben KI-Influencerinnen wie Lil Miquela (über 2,4 Millionen Instagram-Follower) mit Luxusmarken-Kooperationen oder Lu do Magalu (knapp 8 Millionen Instagram-Follower) als digitale Markenbotschafterin ihre technologische Herkunft bewusst zu ihrem Markenzeichen gemacht. Sie sind erkennbar KI-generiert, werden aber stets in Posen und Situationen inszeniert, die mit dieser technologischen Ästhetik spielen und sie neu interpretieren.

Video von KI-Influencerin ©Lil Miquela

Warum hat das German Tourist Board nicht die technologischen Chancen genutzt und beispielsweise in seiner Avatar-Kampagne die Personalisierungsoptionen massiv ausgeschöpft – und so vielleicht nicht nur einen, sondern einen Avatar für jeden seiner Nutzer generiert? Deutschland ist schließlich vielfältig, und die touristischen Gründe, nach Deutschland zu reisen, sind es ebenso.

Warum hat Coke alle Emotionen aus diesem uninspirierten Spot durch KI-Generierung ausradiert? Warum wurde nicht das spezifisch Technologische in der Bildsprache genutzt, um die Geschichte neu zu erzählen – beispielsweise, indem die Weihnachtstrucks in eine imaginäre Weihnachtswelt der Zukunft transportiert werden? Möglicherweise wäre diese Vision zwar eindeutig als KI-generiert erkennbar, aber eben auch vor diesem Hintergrund nachvollziehbar gewesen.

KI skaliert vor allem Mittelmaß wenn schon die Idee schwach ist. Mithilfe von KI neue kreative Ausdrucksweisen finden.


Kreative in Agenturen und Studios müssen hier überzeugen und sich aus der Falle der effizienzgetriebenen Argumentation durch neue Ideen herausarbeiten.

Wie so oft gibt uns die Kunst dabei einen frischen und hochaktuellen Blick auf unsere Auseinandersetzung. In Understanding Media stellt Marshall McLuhan fest, dass die Kunst in der Lage ist, „zukünftige soziale und technologische Entwicklungen zu antizipieren“. Auch die Experimentalfilmerin Hito Steyerl, die sich seit Jahren mit Computertechnologie beschäftigt, hat festgestellt, dass Visualisierungen im Allgemeinen als „wahrhaftige“ Darstellungen von Prozessen verstanden werden. Wir sollten uns jedoch stattdessen ihrer jeweiligen Ästhetik und deren Folgen bewusster werden – und sie kritisch und analytisch reflektieren.

Der Künstler Trevor Paglen wollte 2017 zeigen, wie künstliche Intelligenz unsere Welt sieht – und was das für uns bedeutet. Dafür rief er das Projekt Sight Machine ins Leben. Er filmte ein Live-Konzert des Kronos Quartet und ließ die Aufnahmen in Echtzeit durch verschiedene KI-Programme analysieren – darunter Systeme zur Gesichtserkennung, Objekterkennung und sogar zur Steuerung von Raketen.

KI Nutzung in der Kunst – Sight Machine von Trevor Paglen

Die Ergebnisse dieser Analysen wurden während der Aufführung auf Bildschirmen auf der Bühne gezeigt. So konnten die Zuschauer:innen direkt miterleben, wie die Maschinen die Musik und die Menschen auf der Bühne „wahrnahmen“. Paglen wollte damit deutlich machen: Künstliche Intelligenz ist nicht neutral. Sie basiert auf bestimmten Werten und Interessen – und genau deshalb sollten wir sie kritisch hinterfragen.

Die Gegenüberstellung von lebendiger Musik und den oft befremdlich wirkenden KI-Interpretationen regt dazu an, über die Unterschiede zwischen menschlicher und technischer Wahrnehmung nachzudenken.

Für authentische und lebendige Markenkommunikation bedeutet das, zu überlegen, ob wir die Inszenierung von emotionalen Momenten durch KI schwächen – oder lieber erweitern wollen. Hier ergeben sich gerade jetzt Chancen, sich innovativ zu positionieren und Trends nicht nur nachzulaufen, sondern sie möglicherweise mitzugestalten.

Natürlich ist aber nicht jeder von uns täglich mit reichweitenstarken Kampagnen-Sujets und -Strategien beschäftigt. Im Alltag sind Kunden-Agentur-Beziehungen geprägt von der Erstellung von Kommunikationsmitteln, die weniger emotionalen Touch und Story benötigen – etwa, wenn sie edukativ wirken müssen. Hier können erklärende Filme, illustrierende Bilder, Infografiken, UX-Konzepte oder Datenvisualisierungen durch KI schneller und effizienter erstellt werden.

Dennoch ist eine echte visuelle Handschrift, die zur Marke passt und sich nahtlos in die übergreifende Markenstory einfügt, ein strategischer Vorteil – in einer KI-Welt, die immer mehr austauschbaren und oft mittelmäßigen Content oder visuelle Sprache verbreitet.